Rückblick: Erster „Öffentlicher Beschaffungskompass“ – Zukunftsdialoge für die kommunale Beschaffung
Im Oktober und November 2025 fand der „Öffentliche Beschaffungskompass“ an drei Standorten - Wien, Graz und Innsbruck – statt.
Die gemeinsame Veranstaltungsreihe der Bundesbeschaffung GmbH (BBG), des Österreichischen Städtebunds, des Verbands kommunaler Unternehmen Österreichs (VKÖ) und des Verbands der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG) bot Vertreterinnen und Vertretern aus Verwaltung, öffentlichen Unternehmen und Politik eine Plattform für Austausch, Vernetzung und strategische Orientierung.
Im Mittelpunkt standen aktuelle Entwicklungen, rechtliche Rahmenbedingungen und strategische Ansätze für eine zukunftsorientierte kommunale Beschaffung. Die Moderation übernahmen Heidrun Maier-De Kruijff (Geschäftsführerin, VÖWG) und Gerhard Weiner (Leiter naBe-Plattform, BBG).
Die zentralen Erkenntnisse im Überblick:
- Dokumentation ist der Schlüssel
Eine sorgfältige Dokumentation der Verfahrensauswahl, der Auftragswertberechnungen sowie aller weiteren verfahrensrelevanten Entscheidungen ist der Schlüssel zu Transparenz und Rechtssicherheit.
- Komplexität und rechtliche Herausforderungen nehmen weiter zu
Expertinnen und Experten stellen nach Sichtung des Entwurfs der BVergG-Novelle keine wesentliche Vereinfachung fest. Zusätzliche gesetzliche Vorgaben wie das Barrierefreiheits- oder das Informationsfreiheitsgesetz erhöhen die Komplexität der Vergabepraxis weiter.
- (Submissions)kartelle sind reale Risiken – Prävention ist essenziell
Submissionskartelle wie das Baukartell verursachen gravierende Kosten durch Wettbewerbsverstöße in Folge von Preisabsprachen. Präventive Maßnahmen wie Schulungen, Musteranalysen und transparente Dokumentation sind entscheidend für die Früherkennung bzw. Vermeidung von Kartellen. Da beim Baukartell rund 65 Prozent der Geschädigten öffentliche Auftraggeber sind, hat die BBG auf Initiative des Österreichischen Städtebundes, des Gemeindebundes sowie weiterer Verbände eine Ausschreibung zur Prozesskostenfinanzierung durchgeführt. Die daraus entstandene BBG-Rahmenvereinbarung zur Prozesskostenfinanzierung ermöglicht es vom Baukartell betroffenen öffentlichen Stellen, ihre Schadenersatzansprüche ohne finanzielles Risiko geltend zu machen.
- Digitalisierung und KI bieten Chancen, aber mit Bedacht
KI kann Vergabeprozesse sinnvoll unterstützen, etwa bei der Erstellung von Texten oder bei der Analyse von Ausschreibungsunterlagen und Angeboten. Die Entscheidungsverantwortung liegt jedoch weiterhin beim Menschen: Gemäß § 134 BVergG 2018 dürfen Angebote nur von Personen beurteilt und geprüft werden, die über die erforderliche fachliche Qualifikation verfügen. Erforderlichenfalls sind unbefangene und von den Bietern unabhängige Sachverständige beizuziehen. KI kann in diesem Rahmen als Assistenzsystem eingesetzt werden, die abschließende Beurteilung obliegt jedoch den zuständigen Expertinnen und Experten. Voraussetzung für einen vertrauenswürdigen Einsatz von KI sind zudem klare Standards, ethische Leitlinien und transparente Governance-Strukturen.
- Informationsfreiheit vs. Datenschutz: Einzelfallprüfung ist entscheidend
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bringt mehr Transparenz in die öffentliche Vergabe, steht jedoch oft im Spannungsfeld mit dem Datenschutz. Besonders sensible Unternehmensdaten, wie geistiges Eigentum, personenbezogene Daten oder wirtschaftliche Interessen, genießen besonderen Schutz. Eine Offenlegung muss stets verhältnismäßig, zeitlich begrenzt und durch Einzelfallprüfung abgesichert sein. Teilweise Offenlegung durch Schwärzung ist möglich und oft geboten.
- Interkommunale und grenzüberschreitende Vergabe: Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor
Eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit kann die Qualität und Effizienz öffentlicher Beschaffung nachhaltig verbessern. Gemeinsame Vergaben ermöglichen Skaleneffekte, bündeln Know-how und stärken die Verhandlungsmacht gegenüber Anbietern. Allerdings: Mehr Beteiligte heißt nicht automatisch mehr Know-how. Entscheidend für erfolgreiche gemeinsame Vergaben ist nicht nur die Anzahl der öffentlichen Auftraggeber, sondern auch der gezielte Aufbau von Fachkompetenz.
- Professionelle Unterstützung durch die BBG
Die vielen Diskussionsrunden zeigten auf, dass die Komplexität und die Herausforderungen in der kommunalen Vergabe stetig wachsen. Die BBG steht Kommunen als Lösungspartner zur Seite und unterstützt öffentliche Auftraggeber entlang des gesamten Vergabeprozesses– von der Auswahl des Verfahrens über die Erstellung transparenter Unterlagen bis zur sachkundigen Angebotsprüfung.
Die BBG bedankt sich herzlich bei allen Partnerorganisationen sowie den zahlreichen Teilnehmenden vor Ort für einen erfolgreichen ersten „Öffentlichen Beschaffungskompass“. Durch engagierte Fragen, wertvolle Beiträge und den intensiven Austausch – auch in den Pausen – wurde die Veranstaltung maßgeblich bereichert und zu einem inspirierenden Forum für die Zukunft der öffentlichen Beschaffung.
Impressionen aus Wien
Vergaberecht Quo Vadis – Wo geht es hin für die Kommunen? Mit BBG-Geschäftsführer Gerhard Zotter, Thomas Angerer, Wiener Netze GmbH, Helga Berger, Österreichisches Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, und Maximilian Kallinger, Universitätsassistent an der WU Wien.
Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR), über Künstliche Intelligenz – Risiken und Chancen in der rechtlichen Beurteilung von Verfahren.
Michael Sachs, Vizepräsident des Bundesverwaltungsgericht. Mit seinem Fachvortrag “Das programmierte Chaos: Die aktuellen Entwicklungen im Vergaberecht – die (persönlichen) Verantwortlichkeiten für öffentliche Auftraggeber”.
BBG-Geschäftsführer Martin S. Ledolter hielt die Eröffnungsworte zusammen mit Thomas Angerer, Wiener Netze GmbH und Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebunds.
Wolfgang Pointner, BBG-Bereichsleiter Legal, People & Culture und Helena del Picchia, BBG-Juristin, bei ihrem Vortrag "Wege der professionellen Begleitung bei Auftragsvergaben – Minimierung von verwaltungsgerichtlichen Nachprüfungsverfahren".
Schnell beschafft, klug gelöst? Expertinnen und Experten diskutierten intensiv über die Herausforderungen kommunaler Beschaffung im Spannungsfeld von Effizienz, Risiko und Rechtssicherheit.
Impressionen aus Graz
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten den Vorträgen mit großem Interesse und zeigten sich engagiert in der anschließenden Diskussion. Die vermittelten Inhalte boten wertvolle Impulse für die praktische Umsetzung und regten zum fachlichen Dialog an.
Wolfgang Pointner, Bereichsleiter für Legal, People & Culture bei der BBG, und Juristin Helena del Picchia präsentierten in ihrem Vortrag praxisnahe Ansätze zur professionellen Begleitung von Auftragsvergaben mit dem Ziel, verwaltungsgerichtliche Nachprüfungsverfahren zu minimieren.
Andreas Kotzian, BBG-Fachbereichsleiter Kundenmanagement und Michael Baumgartner, Präsidialabteilung Leitung Stabsstelle Beschaffung und Vergaberecht der Stadt Graz diskutierten über die Herausforderungen kommunaler Beschaffung im Spannungsfeld von Effizienz, Risiko und Rechtssicherheit.
Künstliche Intelligenz – ein Gamechanger im Vergaberecht bei Ausschreibung, Angebots-Beurteilung und Zuschlag diskutierten BBG-Jurist Klaus Richter und Ikrakli Dshandshgava, Partner bei EFS Unternehmensberatung GesmbH.
Zum Abschluss teilten Martin S. Ledolter, BBG-Geschäftsführer, Michael Sachs, Vizepräsident des Bundesverwaltungsgericht und Johannes Schmid, Stellvertretung des Generalsekretärs des Österreichischen Städtebunds Impulse und Perspektiven mit dem Publikum.
Zum Auftakt begrüßten BBG-Geschäftsführer Martin S. Ledolter, Elke Kahr, Bürgermeisterin der Stadt Graz und Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebunds, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ihren Eröffnungsworten.
Impressionen aus Innsbruck
Diskussionsrunde mit unseren Vortragenden Alexander Mickel, Leiter der Abteilung Vergaberecht im Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus, Michael Sachs, Vizepräsident Bundesverwaltungsgericht und Klaus Richter, BBG-Jurist.
Alexander Mickel, Leiter der Abteilung Vergaberecht im BMWET und Michael Sachs, Vizepräsident Bundesverwaltungsgericht, auf der Bühne.
Andrea Achrainer, Geschäftsstellenleiterin Landesgruppe Tirol, Österreichischer Städtebund, bei Ihrem Vortrag beim Öffentlichen Beschaffungskompass in Innsbruck.
Mit großem Interesse verfolgten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Vorträge und brachten sich engagiert in die anschließende Diskussion ein.
BBG-Geschäftsführer Martin S. Ledolter eröffnete die Veranstaltung in Innsbruck zusammen mit Georg Willi, Vizebürgermeister der Stadt Innsbruck und Andrea Achrainer, Geschäftsstellenleiterin Landesgruppe Tirol des Österreichischen Städtebund.
Ralf Pock, Partner bei Estermann-Pock Rechtsanwälte GmbH, gab dem Publikum spannende Praxiseinblicke zur Causa Baukartell.